Die Franzi-Story (7)

Eine spannende Geschichte in 7 Teilen

Aufgetaucht

Nach dem Triumph bei der EM 2002 war es klar, dass sich diese Tage von Berlin nie wiederholen würden. Franziska hätte aufhören können, als es am schönsten war, aber dann hätte sie sich selbst immer den Vorwurf gemacht, es nicht noch ein letztes Mal versucht zu haben, ihren Kindheitstraum vom Olympiagold doch noch zu erfüllen. Ihr war klar, dass sie dadurch kein besserer Mensch werden würde, aber es wäre eine Zugabe zu all ihren großen Erfolgen gewesen, die den sportlichen Kreis geschlossen hätte.

Die Medien beschrieben Franziskas vierte Olympische Spiele als "Unternehmen Gold", als sei kein anderes Ergebnis vorstellbar. Franziska machte aber auch selbst keinen Hehl daraus, dass es ihr letztlich um Gold ging - alles andere hatte sie ja schon erreicht. "Dabei sein ist alles" hätte ihr ohnehin niemand geglaubt.

Der Weg nach Athen führte über Berlin. Schon Wochen vor den deutschen Titelkämpfen 2004 mied sie die Öffentlichkeit, um nicht abgelenkt zu werden. Mit hoher Konzentration absolvierte sie ihre Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele und qualifizierte sich über drei Einzelstrecken, insbesondere ihre Schicksalsstrecke 200m Freistil. In einem letzten Trainingslager der Nationalmannschaft auf Mallorca sollten sich die Sportler an das heiße Klima und das Schwimmen im Freien gewöhnen. Im Training schwamm Franziska gute Zeiten, aber ohne das "Gefühl des Wassers in der Hand", das sie für Spitzenleistungen braucht und das sich sonst immer rechtzeitig vor großen Wettkämpfen eingestellt hatte. Diesmal ließ das Wassergefühl auf sich warten, aber sie hatte gewissenhaft und hart trainiert, hatte sich also nichts vorzuwerfen. So flog sie guten Mutes nach Athen.

Den sportlichen Auftakt bildete die 4x100m-Staffel - Franziska war Schlussschwimmerin. Sie gab alles, aber noch immer schwamm sie ohne Gefühl. Das Ergebnis: zwei Jahre nach dem Weltrekord dieser Frauenstaffel bei der EM in Berlin reichte es nur für Platz vier, wie in Sydney, wo die vepasste Medaillenchance den Auftakt zum kollektiven DSV-Debakel gebildet hatte. Aber diesmal stimmte die Harmonie im Team, und Franziska blieb zuversichtlich. Der Angriff auf das ersehnte Olympiagold begann mit den 200m-Vorläufen am dritten Wettkampftag. Franziska gab nicht alles, aber trotzdem strengte es sie übermäßig an und sie fand ihren Rhythmus nicht. Auch im Halbfinale fühlte sie sich schwerfällig, aber sie schaffte als Sechste den Einzug ins Finale. Dann kam der Schicksalstag, auf den sie jahrelang hingearbeitet hatte. Das Wassergefühl war immer noch nicht da - es blieb keine Zeit mehr, darauf zu warten. So schwamm sie mit aller Kraft, aber ohne Gefühl. Am Ende standen 1:58,80 auf der Anzeigetafel. Platz 5 - der Traum war ausgeträumt. Eine Erklärung hatte sie nicht, sie fühlte sich nur müde und leer.

Bei den noch ausstehenden Wettkämpfen stand Franziska nicht mehr unter dem hohen Erwartungsdruck und konnte frei schwimmen. Der 4x200m-Staffel konnte man eine Medaille zutrauen, und tatsächlich gewannen die Frauen Bronze. Endlich eine Medaille! Franziskas letzter olympischer Start war in der 4x100m-Lagenstaffel. Das Ergebnis: eine weitere Bronzemedaille mit neuem Europarekord - ein versöhnlicher Abschluss der olympischen Spiele, letzter Akt einer langen, von großen Erfolgen, großen Träumen und schmerzlichen Rückschlägen geprägten Sportlerkarriere.

Franziska hat ihre Schwimmkarriere mit den Olympischen Spielen in Athen beendet. Sie hat gespürt, dass es Zeit war, der nächsten Generation Platz zu machen und nach fast 20 Jahren zu entdecken, was das Leben außer Schwimmen noch zu bieten hat.

Der letzte Satz ihres Buches, in dem sie auf ihr sportliches Leben zurückblickt, lautet:

Ich bin jetzt aufgetaucht, die Zeit ist gekommen, um an Land weiterzuleben.

E N D E (vorläufig). Text: Stefan Peters